Ein ungewöhnlicher Fernglas-Vergleich

Die Testkandidaten:

Zeiss 20 x 60 S   Peleng 12 x 40 GS   Canon 10 x 30 IS
         
   
         

Natürlich kann und wird dieser Vergleich dreier unterschiedlichster Ferngläser (und Techniken) mit einer Bildstabilisierung nicht objektiv und hochwissenschaftlich sein, vielmehr werden die von mir persönlich "gefühlten" Unterschiede und Eindrücke geschildert.

Ganz zufällig hatte ich die Gelegenheit, die oben gezeigten Ferngläser mit Bildstabilisierung zu erwerben, um im Rahmen (m)einer VHS-Veranstaltungen wieder neue "Kundschaft" anziehen zu können, man muss die Leute ja irgendwie "locken".

Nun wurden alle drei Ferngläser kurzer Hand im Garten getestet. Die hier gezeigten Perspektiven habe ich mit einem SIGMA APO-TELE 170-500 und meiner alten Canon 300D nachgebildet, also handelt es sich um eine rein subjektive Darstellung meiner Empfindung! Jeder andere Benutzer kann und wird die Leistungsfähigkeit anders beurteilen...

Ich spreche bewusst nur die mir wichtigsten Daten hierzu an!

Bereits das Gewicht der Gläser zeigt, womit zu rechnen war. Das Peleng 1240GS ist das schwerste Glas im Feld mit ca. 2000 g, gefolgt von dem Zeiss mit etwas mehr als 1600 g, Canon hat hier ein Leichtgewicht mit 640 g konstruiert. Man sollte hier auch die verbaute Technik im Auge behalten, Zeiss hat die größte Öffnung und die interessanteste Stabilisierung an Bord. Das Peleng kommt wohl aus dem Agenten bzw. Militärsektor und muss entsprechend "robust" gebaut sein. Canon hat hier ein prima Reiseglas entwickelt, passt in fast jede Tasche, zur Not hängt man sich den mitgelieferten Brustbeutel einfach um, man wird nicht erwürgt. Schaut man sich die "Transportbox" vom Peleng 1240GS an, wird einem schon schlecht. Zeiss legt wie gewohnt noch Einen drauf und liefert gleich einen Koffer mit, die Aufschrift Zeiss sagt dem Ganoven im Urlaub gleich, das hier richtig was zu holen ist! Peleng und Zeiss sind somit reine Status-Symbol-Gläser, eine echte Anwendung gibt es nur auf Raumstationen, Zeiss auf der ISS und zuvor Peleng auf der Mir (kein Witz!).

 

Als Testobjekt nutze ich immer gerne das Schild einer OOWV-Wasserleitung in etwa 200 m Entfernung:

 

Mir war es zu aufwendig, hier die passenden Perspektiven und Bildfelder auszurechnen und auch 1:1 im Bild darzustellen. Daher griff ich einfach zu meinem nicht so tollen 170-500 SIGMA-APO Tele und der alten Canon 300D, machte ein paar Schnappschüsse, um meinen Eindruck zu untermauern, durch die echten Ferngläser zu knipsen ist ja ohne Weiteres nicht machbar.

Das Zeissglas war ja schon länger in meinem Besitz und gefühlt schon ein tolles Glas, wenn auch mit Einschränkungen (Beobachtungen jenseits von 45° Neigung nur unstabilisiert möglich, hohes Gewicht). Wie leserlich das anvisierte Schild mit dem Zeiss (für meine Augen) zu sehen war, soll dieses Bild verdeutlichen:

Das Zeiss ist nicht in der Lage, stärkere Wellenamplituden abzufangen. Die durch Händezittern üblichen feinen Amplituden werden sehr gut eliminiert. Auf Grund der hohen Vergrößerungsleistung ist die mittlere bis große Schrift lesbar, die kleine Schrift nur in Auszügen, die Telefon-Nummer ist nicht mehr lesbar. Man wundert sich trotzdem, wie gut die Ingenieure von Zeiss gearbeitet haben, das Glas macht einen absolut hochwertigen Eindruck.

Hier mal eine Darstellung mit dem Canon 10 x 30 IS, bei nur der halben Vergrößerungsleistung ist die gleiche Lesbarkeit festzustellen, natürlich ist das Bildfeld nicht proportional, sondern zeigt die von mir subjektiv gefühlte Schärfeleistung:

 

Zwischen dem Canon und dem Zeiss gibt es meiner Meinung nach kaum einen Unterschied, was die Schärfeleistung angeht, obwohl das Zeiss doppelt so "nah" am Objekt war! Da der Test tagsüber erfolgte, ist die bessere Lichtstärke der Zeiss-Optik natürlich nicht umfänglich mit eingeflossen. Ein merkliches Motorengeräusch war beim batteriebetriebenen Canon nicht zu hören, nur ein leichtes Summen, was vernachlässigt werden kann. Das Glas liegt kinderleicht in der Hand und ist ebenfalls gut verarbeitet, lediglich der Fokusknopf kann nur von oben "bedient" werden, die Stabi-Taste ist, wie beim Zeiss, optimal angeordnet. Die Kunst ist es, die erforderlichen 2x AA-Mignonzellen richtig herum in das Batteriefach zu legen, die Polaritätsbeschriftung ist eher mangelhaft und kaum zu erkennen, das Fach könnte auch etwas präziser mit dem Gehäuse abschließen. Es ist sinnvoll, den Fokus bei gedrückter Stabi-Taste einzustellen, da sich sonst Unschärfen ergeben können, der Fokus zwischen gedrückter und nicht gedrückter Taste ist teilweise unterschiedlich, hat aber letztlich keinen störenden Einfluss, man beobachtet schließlich mit gedrückter Taste und richtig fokussiert...

Ja, was war nun mit dem Peleng 1240GS? Peleng hatte ich noch nie gehört, keine Ahnung, was da auf mich zukommen sollte! Das Glas machte einen klobigen und billigen Eindruck, sah irgendwie nach einem Laser-Geschwindigkeitsmesser der Polizeibehörde aus, nur fehlte das Stativ? Ich hatte ja schon Einiges aus Russland in der Hand, aber so ein Teil noch nicht. Die mitgelieferten Kabel waren wohl noch im letzten Weltkrieg produziert und einfach auf neueres Gerät "umgerüstet" worden, man schaut auf billigstes Bakelit und oxidierte Messingkontakte, klobige Steckverbinder aus dem kalten Krieg, eben für einen atomaren Angriff geeignet, ohne jegliche komplizierte Elektronik, nur ein Kippschalter verriet, das es etwas zum Einschalten gab.

Allein das Batteriefach, bestehend aus einer Aufnahme für 6 x AA Mignonzellen mit insgesamt 9 V, nur der Batteriekasten wog schon fast so viel wie das ganze Canon 10x30IS!

Ein Kollege hatte mich schon gewarnt, das Ding wäre etwas Besonderes! Das Stichwort lautet hier wohl Gyro-Kreisel-Stabilisierung. Während Zeiss u. a. auf kardanische Aufhängung setzt und Canon mit Piezo-Effekt und Flüssigkeiten arbeitet, greift Russland zu einer völlig anderen Technik. Aber auf die Technik wollte ich hier nicht eingehen, sondern endlich mal den mysteriösen Kippschalter umlegen!

Zunächst schienen sich im Inneren Teile bewegen zu wollen, kamen aber nicht richtig in die Gänge, irgendwo gab es noch Probleme!

Ich überprüfte zunächst die eingelegten Batterien und siehe da, es lagen zwei Batterien falsch herum im Batteriefach, die russischen Techniker hatten die Massefeder der AA-Zellen an einer Stelle auf die Plus-Seite gelegt und die Beschriftung war auch nicht einfach zu erkennen, da hilft nur messen und ausprobieren! Also erst einmal alle Batterien ausgetauscht und die 9 V nachgemessen, nun war Alles in Ordnung!

Gut, das während des "Kalten Krieges" nicht der "Ernstfall" eintrat, sonst wäre die Entscheidungsschlacht wohl an der mangelhaften Stromversorgung entschieden worden...

Also wieder ins Freie und den Kippschalter umgelegt, sofort war ein turbinenartiges Geräusch zu vernehmen, als ob eine kleine russische MIG im Inneren ihre Triebwerke hochfährt, eine kleine rote Leuchtdiode zeigte an, dass man auf dem richtigen Weg war, übrigens der einzig verbaute Halbleiter in dem Gerät! Somit auch EMP-Fest...

Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde dann die Höchstdrehzahl erreicht, laut meinem Kollegen um die 30 000 Umdrehungen. Die "russische Mig" war nun startklar für einen Angriff auf ihr Ziel, heute sollte es nur das OOWV-Schild in meiner Siedlung sein. Einer der Schalthebel war wohl für den Augenabstand zuständig:

 

Der andere "Schalthebel" blieb nun als Stabi-Taste übrig:

Also das Ziel anvisiert und so ruhig wie möglich gehalten, was aber bei einem Gewicht von 2 Kilogramm(!) nicht so leicht war. Kaum hatte ich die Taste gedrückt, lief es mir eiskalt den Rücken herunter, denn mein Ziel wurde regelrecht eingefroren, als ob man das Fernglas auf eine Betonmauer legte und weiterhin hindurch beobachtete, jetzt war nicht nur das Glas aus dem "Kalten Krieg", sondern mein Rücken war auch eiskalt! Der Hersteller schrieb irgendwo, das ein Druck auf diese Stabitaste ca. 70% Stativwirkung hätte, so war es auch, um es mal vorsichtig auszudrücken, eigentlich waren es gefühlte 100%. Vergleicht man nun die Stabilitätsleistung eines 6.500 EUR teuren Zeiss 20 x 60 S und einem Canon 10 x 30 IS der aktuellen Generation mit diesem 1240GS, so hat man das Gefühl, die Geräte von Zeiss und Canon müssten zwecks Garantiereparatur zurück zum Hersteller. Der Unterschied war mindestens so groß wie zwischen einer alten Mustang P-51 und dem ersten einsatzfähigen Düsenjagdbomber ME-262...

Hier mal in etwa die Schärfe von dem Gerät, natürlich nur symbolisch als Vergleich:

 

Aber es gibt auch eine Reihe von Nachteilen:

Der Geräuschpegel ist aufdringlich und für die Nachbarschaft nervig, zumindest während der Nachtruhe. Nicht umsonst wirbt Peleng im Prospekt mit einer Beobachtungssituation aus einem fliegenden Hubschrauber heraus, da mag der Lärm des Glases im Flugbetrieb untergehen! Als Pirschglas im Wald völlig unbrauchbar. Astronomische Beobachtungen nach 22 Uhr im Wohngebiet  lösen wohl eine Beschwerde der Nachbarn aus, also ein reines "Winterglas" sozusagen...

Auch das Gewicht geht sehr schnell in die Arme, es gibt keinen Stativanschluss. Man muss sich wohl nach einer echten Betonmauer umschauen, sonst bricht der Beobachter zusammen, während das Glas in der Wiese versinkend immer noch stabilisiert! Die Batterien mal schnell wechseln kann man auch vergessen, zu viel gefummel. Es sind zwar Kabel dabei, allerdings muss ich diese erst einmal im Labor messen und anpassen, ggf. werden die Einweg-Batterien noch durch Akkus ersetzt, dann gibt es keinen Batteriewechsel mehr! Das Nachfolgemodell besitzt mittlerweile 7 x AA NiMH-Akkus mit umgebauter Ladebuchse, welche es bei meinem auch schon gibt:

 

Das 1240GS verfügt über eine Einzelfokussierung, welche viel zu leichtgängig ist, wahrscheinlich fehlt bei meinem Modell nur geeignetes Fett? Der Augenabstand lässt sich nur bis etwa 70 mm einstellen, also für mich grenzwertig. Die mitgelieferten Objektivdeckel bestehen aus schwarz eloxiertem Aluminium mit Feingewinde und ganz schmaler Rändelung, man muss das Gewinde genau treffen und beim Abschrauben schraubt man die Objektivhalterung gleich mit ab, das geht auch besser!

 

Was auch nerven kann ist der sehr lange Nachlauf der Kreiselmechanik, der Auslauffaktor beträgt Faktor 10x länger als beim Hochfahren.

 

Bemerkungen:

Das Glas wurde ausschließlich für die Stabilisierung gebaut, welche wirklich perfekt funktioniert und keine Wünsche offen lässt, liegt Lichtjahre vor Zeiss und Canon, aber um welchen Preis? Deswegen bekommt der Gadget-Faktor auf jeden Fall die höchste Note!

 

Fazit:

Ob es für so manche Gläser überhaupt ein Einsatzgebiet gibt? Hier mal meine Bewertung von -- bis +++++

(Natürlich kann nicht jeder Leser mit meinen Kriterien etwas anfangen, aber es ist ja auch meine persönliche Bewertung!)

 

Optik Preis Gewicht Schärfe Stabileistung Finish/Haptik Bedienung Lärmpegel Gadget-Faktor
Zeiss 20x60S -- - +++++ + ++++ ++++ ++++ +
Canon 10x30IS ++++ ++++ +++ ++ +++ +++ +++ +
Peleng 1240GS - -- ++++ +++++ -- + -- ++++

Copyright © November 2014

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